Autonomes Fahren: Ein Jahr nach dem Tesla-Unfall

Vor einem Jahr starb ein Tesla-Fahrer bei einem Unfall. Sein Fahrzeug steuerte der Autopilot des Elektromobilitätspioniers aus Kalifornien. Den anschließenden Abgesängen auf das autonome Fahren stellte KREUTZER Consulting damals einige mittel- bis langfristig gedachte Thesen gegenüber. Mit zahlreichen in den vergangenen Wochen erschienenen Studien gibt es nun eine faktenbasierte Grundlage, diese Thesen Revue passieren zu lassen. Zudem hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zum hoch- und vollautomatisierte Fahren angenommen.

Wenig überraschend ist, dass die Entwicklung autonomer Fahrsysteme aufgrund des Unfalls nicht eingestellt wurde, sondern weiter an Dynamik gewinnt. Rückschläge wie bspw. beim Fahrdienstvermittler Uber, der seine selbstfahrenden Taxis nach einem Unfall wieder von der Straße holte, gehören zum Entwicklungsprozess und rufen nun auch weniger Emotionen hervor, als noch vor einem Jahr.

Wie stehen Kunden dem autonomen Fahren gegenüber?

Sind grobe Sicherheitsmängel behoben, wird der Erfolg des autonomen Fahrens wie bei allen technischen Neuerungen von der Einstellung der Kunden, ihrem Vertrauen in die Technik und dem persönlichen, konkreten Nutzen abhängen. Letzteren hat KREUZTER Consulting im Blog-Artikel vor einem Jahr hervorgehoben. Autonomes Fahren bedeutet entspanntes und schnelles Reisen. Eine Metastudie der TU Delft, die 163 Studien berücksichtigt, kommt zu einem ähnlichen Schluss. In den meisten ausgewerteten Studien und Umfragen möchte eine Mehrheit die neu gewonnene Zeit zum Entspannen nutzen, um mit Mitfahrern zu plaudern oder zu schlafen.

Gleichzeitig könnte mit selbstfahrenden Autos die Zeit des individuellen Fahrzeugbesitzes enden. Der Vorteil, den Transport nur noch als automatisierte Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, liegt hinsichtlich des Komforts auf der Hand. Der erste „Automotive Disruption Radar“ von Roland Berger, in dessen Rahmen weltweit über 10.000 Personen befragt wurden, zeigt, dass schon heute 46 Prozent der Konsumenten auf ein eigenes Auto verzichten würden, wenn autonome „Robo-Taxis“ zu einem günstigeren Preis genutzt werden könnten. Deutschland liegt mit 47 Prozent im Durchschnitt. Vor allem in Regionen mit einer hohen Bevölkerungsdichte können die Einwohner der Idee des Robotertaxis etwas abgewinnen.

Grafik: „Würden Sie auch ein Auto kaufen, wenn ein vollautomatisiertes Robotertaxi zu geringeren Kosten pro Reise im Vergleich zum eigenen Auto verfügbar wäre?“

Quelle: Roland Berger, Automotive Disruption Radar Issue #1, 2017

 

Auch die grundsätzliche Einstellung gegenüber dem autonomen Fahren ändert sich. Die Autoren der Metastudie der TU Delft erkennen eine wachsende Bereitschaft, sich einem autonom fahrenden Fahrzeug anzuvertrauen. Die Zustimmung stieg von etwa 20 Prozent vor fünf Jahren auf aktuell ein Drittel. Die Streuung von aktuellen Umfrageergebnisse zu diesem Thema bleibt aber groß. Während in einer TNS Emnid-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung 69 Prozent Skepsis gegenüber der Technologie äußerten, hat der TÜV Rheinland festgestellt, dass sich 76 Prozent vorstellen können, ein autonomes Auto zu nutzen. Das Ergebnis einer Umfrage unter ADAC-Mitglieder entspricht in etwa denen der TU Delft.

Herstellerfreundlicher Gesetzentwurf

Die Einstellung gegenüber dem autonomen Fahren wird u.a. von der Frage beeinflusst, wer bei Unfällen haftet. Dazu hat die Bundesregierung nun einen Gesetzentwurf angenommen, der aber nicht die vollständig autonome Fahrzeugführung, sondern das sogenannte hoch- und vollautomatisierte Fahren behandelt. Das System lenkt, beschleunigt oder bremst für einen bestimmten Zeitraum oder in spezifischen Situationen selbstständig. In diesen Situationen darf sich der Fahrer nun per Gesetz „vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden“. Erkennt das System seine Leistungsgrenzen, muss es den Fahrer auffordern, wieder die Kontrolle zu übernehmen. Geregelt ist nun, dass der Fahrer dies innerhalb eines kurzen Zeitrahmens, den das System antizipiert, umsetzen können muss. Falls sich ein Unfall ereignet, soll eine nun vorschriftsmäßig verbaute „Blackbox“ zur Klärung der Schuldfrage beitragen, doch grundsätzlich ist der Fahrer verantwortlich. Nur wenn im automatischen Fahrmodus keine Pflichtverletzung des Fahrzeugführers, wie etwa die zu langsame Übernahme des Lenkrads, festzustellen ist, kann die Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters Regressforderungen an den Autohersteller stellen. Kritiker bemängeln, dass Autohersteller nicht stärker belangt werden. Es stellt sich tatsächlich die Frage, ob verbraucherunfreundliche Regelungen den Markthochlauf beschränken können. Trotz allem erwartet Bundesverkehrsminister Dobrindt „die größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Automobils“.

Deutscher Markt mit Aufholbedarf

Ob der deutsche Markt für diese Disruption gerüstet ist, versucht der Automotive Disruption Radar von Roland Berger mittels eines Vergleichs von zehn Staaten zu bewerten. Platz eins belegen dabei die Niederlande, mit einem vergleichsweise hohen Absatz von Elektroautos, einer gut ausgebauten Ladeinfrastruktur und einem hohen Interesse der Kunden am autonomen Fahren. Danach folgen Singapur, China und Deutschland. Vor allem bei der Ladeinfrastruktur und dem Interesse am autonomen Fahren hinkt Deutschland hinterher.

Für die im vergangenen Jahr prognostizierten Absatzrückgänge für Autohersteller im Falle eines vom persönlichen Besitz entrückten Mobilitätsverhaltens zugunsten autonomer Transportdienstleister müssen Lösungen gefunden werden. Zumindest, wenn man der Metastudie der TU Delft glaubt. Denn die oben dargestellten Präferenzen der Konsumenten für die neu verfügbare Zeit im selbstfahrenden Auto entsprechen den von den Autokonzernen gerne erdachten, kostenpflichtigen und datenliefernden Services wie Streaming oder Shopping, die die Kunden in Anspruch nehmen sollen, ganz und gar nicht.

Gleiches gilt für den ÖPNV, von dem sich viele Kunden abwenden könnten, wenn attraktive Angebote zu vernünftigen Preisen auf den Markt kommen. Der Trend stellt aber nicht nur ein Risiko dar, sondern bietet auch Chancen, da um die autonomen Fahrzeuge herum eine ganze Reihe an Dienstleistungen entstehen werden, insbesondere auch im Bereich der Bereitstellung von Lademöglichkeiten und der Logistik.

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